Kultur / Gesellschaft

Hilfe unter Männern: Warum es das Männerbüro braucht

Das Männerbüro Basel feiert Jubiläum – und mit ihm eine Geschichte des Zuhörens, Beratens und Hinterfragens des Mannseins. Heute ist es eine wichtige Anlaufstelle für Männer in Krisen und auf der Suche nach Orientierung in einer sich wandelnden Gesellschaft.

Autorinnenzeile: Amulya Menachery

Ein Mann alleine mit seinen Probleme Bildquelle: Amulya Menachery

Das Männerbüro wurde 1995 gegründet, um Männern, die Gewalt ausgeübt hatten, eine Möglichkeit zur Reflexion und Veränderung zu bieten. Ziel war es, durch andere Umgangsformen kennenzulernen. Im Laufe der Jahre hat sich das Angebot erweitert, um Männern in verschiedenen Lebenssituationen Unterstützung zu bieten. Dabei verfolgt die Anlaufstelle heute vor allem das Anliegen, die Hemmschwelle für Hilfe zu senken und Männern zu zeigen, wie sie Mann sein können, ohne auf die traditionellen Rollen zurückgreifen zu müssen.

Familiäre Atmosphäre statt Praxisgefühl

Was das Männerbüro ansprechend macht, ist der kleinere Überwindungspunkt. Als Beratungsstelle kann man einfach unangemeldet reinkommen und unverbindlich ein Gespräch aufsuchen. «Viele Männer würden gerne Unterstützung annehmen, aber wissen nicht wie» meint Florian Weissenbacher, Co-Leitung Fachbereich. Die Hemmschwelle ist im Vergleich zu traditionellen psychologischen Einrichtungen niedriger, was es vielen Männern erleichtert, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Atmosphäre im Männerbüro gleicht dabei eher einer familiären Umgebung als einer typischen Praxis. Es wird aufmerksam zugehört, und im gemeinsamen Gespräch entstehen hilfreiche Impulse. Thematisch liegt der Fokus auf männlicher Identität sowie Vaterrolle – häufige Anliegen der Klienten sind Trennungen oder Scheidungen.

  • Im Männerbüro befindet sich eine Bibliothek, welche unterschiedliche Zugänge zum Thema Mann anbietet.

Tradition vs. Wandel

In den letzten Jahrzehnten haben sich die Hindernisse der Männer verändert. Begriffe wie “toxische Männlichkeit” sind in den Vordergrund gerückt. Gleichzeitig erlangen auf Social Media Persönlichkeiten wie Andrew Tate oder Jordan Peterson grosse Reichweite und beeinflussen insbesondere junge Männer – oft mit chauvinistischen Botschaften, die herkömmliche Rollenbilder bekräftigen. Dabei geraten positive Vorbilder leicht in den Hintergrund. «Männer wie Paddy Pimblett gibt es zu wenig» sagt Weissenbacher. Der MMA-Kämpfer setzt sich öffentlich für die psychische Gesundheit von Männern ein und steht damit für ein anderes, reflektierteres Männerbild.

Einige Männer sind heute auf der Suche nach neuen Wegen, um traditionelle Vorstellungen von Männlichkeit zu hinterfragen. «Man darf traditionelle Rollen ausleben wollen – vorausgesetzt es ist mit dem Umfeld in Ordnung» sagt Weissenbacher. Das Männerbüro begleitet sie auf diesem Weg und bietet Unterstützung bei der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Erwartungen und neue Perspektiven zu entwickeln.

Bei der Selbstreflektion beginnt es

Das Männerbüro bietet ein breites Spektrum an Beratungsleistungen an. Neben der allgemeinen Beratung umfasst das Angebot auch spezialisierte Bereiche wie Rechts- und Gewaltberatung. Die Mitarbeitenden des Männerbüros bringen verschiedene fachliche Hintergründe mit, von Psychologen bis hin zu Beratern, was eine vielseitige Expertise gewährleistet. Eine zentrale Voraussetzung für die Arbeit im Männerbüro ist die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Es ist wichtig, sich der eigenen möglicherweise toxischen Verhaltensweisen bewusst zu werden, Veränderungen anzustreben und den Wert von Care-Arbeit zu erkennen. Derzeit absolvieren zwei Mitarbeitende eine Ausbildung in geschlechterreflektierter Väterarbeit. Dieses spezielle Programm, das von männer.ch angeboten wird, fokussiert sich auf die Sozialisationsprozesse von Vätern und deren Einfluss auf die männliche Identität.

In diesem Zusammenhang wird die Bedeutung der Reflexion über die eigene Rolle als Mann besonders deutlich. Weissenbacher sagt: «Wenn Männer auf einmal merken, dass sie ein Produkt in ihrem Glauben sind.» Diese Einsicht öffnet den Weg zu einem tieferen Verständnis von den eigenen Vorstellungen und Erwartungen, die an sie herangetragen werden. In diesem Kontext stellt sich auch die grundlegende Frage: Was macht einen Mann aus? Für Weissenbacher gibt es darauf keine allgemeingültige Antwort: «Für mich gibt es nicht den Mann. Der Gestaltungsraum ist gross. Man(n) sollte mit sich im Reinen sein.» Diese individuelle Herangehensweise ermöglicht es Männern, ihre eigene Identität zu finden und zu leben.

«Die Definition Mann ist ein individuelles Konstrukt – an erste Stelle ist man eine Person und nicht der Mann.» Tissaveerasingham

Akzeptanz ist nicht gewährleistet

Trotz des stetig ausgebauten Angebots sieht sich das Männerbüro mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert – insbesondere in Bezug auf die gesellschaftliche Akzeptanz. Die öffentliche Reaktion auf die Arbeit der Anlaufstelle fällt dabei sehr unterschiedlich aus: Während viele das Unterstützungsangebot als wertvoll und notwendig anerkennen, äußern andere Kritik oder begegnen dem Männerbüro mit Vorbehalten. Manche Stimmen interpretieren das Männerbüro fälschlicherweise als Gegenbewegung zum Feminismus. «Nicht alle Männer müssen Feministen werden, aber sie müssen den Feminismus als kulturellen Veränderungsprozess annehmen und ihren Teil leisten», meint Weissenbacher Einige sehen die Anlaufstelle als übertriebene Ausprägung der Gleichstellungsdebatte. Diese Sichtweise weist das Männerbüro entschieden zurück. Tissaveerasingham sagt: «Männer haben sich lange keinen Raum in feministische Bewegungen genommen. Dabei ist es keine Gegenbewegung, sondern eine gemeinsame Bewegung.» Damit macht das Männerbüro deutlich, dass es nicht die feministische Bewegung selbst ist, die Konflikte schafft, sondern vielmehr bestimmte Reaktionen auf sie – etwa aus Unsicherheit oder Angst vor Veränderung – die das gesellschaftliche Miteinander erschweren können.

Doch wie wird das Thema auf der anderen Seite wahrgenommen? Um ein umfassenderes Bild zu erhalten, haben wir Frauen befragt – über ihre Sicht auf die Herausforderungen von Männern und darüber, welche Rollen gesellschaftliche Entwicklungen dabei spielen.

Insgesamt bietet das Männerbüro seit 30 Jahren einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung von Männern in der Schweiz. Durch kontinuierliche Anpassung an gesellschaftliche Veränderungen bleibt es eine relevante und notwendige Institution.

Interview

In der heutigen Gesellschaft wird zunehmend über die Herausforderungen gesprochen, mit denen Männer konfrontiert sind. Doch wie nehmen Männer selbst diese Entwicklungen wahr?

In diesem Interview sprechen zwei Männer über ihre Perspektiven: ein 58-jähriger Familienvater, tätig in der Pflege, und ein 30-jähriger Mann, der kürzlich seinen Master in Medizininformatik abgeschlossen hat.

Wie geht es Ihnen – wirklich?

58-jähriger Pflegefachmann: Mir geht es wirklich gut.

30-jähriger Medizininformatiker: Ich habe gerade eine stressige Phase hinter mir. Deshalb geht es mir auch heute gut.

Was sind Situationen, in denen es Ihnen schwerfällt, über Ihre Gefühle zu sprechen?

Ja, ich habe das Gefühl ich habe viel für meine Familie, Eltern und Geschwister gemacht. Jedoch schätzt es niemand wert.

Es gibt immer wieder Momente, wo das der Fall ist, aber diese sind auch situativ bedingt. Und zum Glück habe ich auch meine «Safe Spaces» in denen ich mich öffnen kann.

Haben Sie das Gefühl, dass Männer in unserer Gesellschaft genügend Raum für psychische Belastungen erhalten?

Nein, ich glaube es gibt zu wenig Raum, um psychische Belastungen anzusprechen.

Egal, ob Mann oder Frau – Ich glaube psychische Belastungen sind immer noch ein Tabuthema.

Gab es Momente, in denen Sie professionelle Hilfe in Anspruch nehmen wollten – oder es getan haben? Was hat Sie dabei unterstützt oder abgehalten?

Nein, ich habe keine Situationen erlebt, wo professionelle Hilfe nötig war.

Bisher zum Glück nicht, aber mir ist auch bewusst, wo ich mir diese Hilfe holen kann.

Welche Erwartungen an „Männlichkeit“ erleben Sie in Ihrem Alltag – z. B. in Familie, Beruf oder Freundeskreis?

In meinem Beruf kann es nachteilhaft sein. Es gibt weibliche Patientinnen, die nicht von männlichen Pflegekräften unterstützt werden möchten. Ausserdem ist mein Freundeskreis der Meinung, dass der Pflegeberuf nicht für einen Mann geeignet ist.

Ja, solche habe ich schon in der Familie erlebt. Die Erwartung als «Provider» für meine zukünftige Familie zu sorgen, kenne ich aus dem familiären Kreis.

Was bedeutet es für Sie persönlich, „ein Mann zu sein“?

Mir geht es nicht darum ein Mann zu sein. Mir ist es wichtig ein Vater, Ehemann und Sohn zu sein.

Ich habe keine Definition von einem Mann. Du solltest dich einfach in deiner Haut wohlfühlen.

Hat sich dieses Bild verändert?

Mit jeder neuen Rolle hat sich dieses Bild etwas verändert.

Ja, durch ernsthafte Beziehungen, hat sich mein Denken von einem Ich-Denken zu einem Wir-Denken verändert.

Gibt es bestimmte Rollen oder Verhaltensweisen, von denen Sie sich heute bewusst distanzieren?

Mir fallen keine bestimmten Verhaltensweisen ein.

Ja, ich möchte nicht in einem Haushalt leben, wo nur der Mann etwas zu sagen hat.

Was sind die positiven Aspekte der Männlichkeit?

Ich glaube etwas positives ist die körperliche Stärke.

Wenn ich mich mit meiner Schwester vergleiche, denke ich gerade an das nachts unterwegs sein.

Was sind aus Ihrer Sicht die drängendsten Probleme, mit denen Männer heute konfrontiert sind – psychisch, sozial, wirtschaftlich?

Ich denke häusliche Gewalt, die Männer erleben und die damit verbundene Scham.

Die Männerwelt kann davon profitieren, wenn sie weiss, dass sie sich in ihren «Safe Spaces» öffnen kann und soll.

Wie könnte unsere Gesellschaft (Medien, Politik, Bildung) besser auf die Bedürfnisse von Männern eingehen, ohne Klischees zu bedienen?

Ich denke mehr psychologische Unterstützung wäre nötig. Zum Beispiel wie eine Jahreskontrolle beim Hausarzt, aber als psychologischer Gesundheitscheck.

Bereits in den jungen Jahren sollten alle lernen ihre Emotionen zu zeigen und nicht diese wegzudrücken.

Kennen Sie das Männerbüro?

Ich kenne es nicht.

Der Begriff kommt mir bekannt vor.

Falls nicht, was könnte es sein?

Ich glaube es ist Ort, wo Männer ihre Probleme ansprechen können.

Ist das nicht ein Unternehmen, welches von Männern angetrieben wird und in den hohen Positionen meist von Männern geführt wird?

Was wünschen Sie sich für die nächste Generation von Jungen und jungen Männern?

Ich wünsche ihnen mehr mentale Betreuung.

Sie sollten ihr Ding durchziehen, ohne das Gefühl zu haben, dass man sich beweisen muss.

Wird genug über die Probleme der Männer geredet?