Sport

Ramon Felix: Der Berner Weltmeister, den niemand kennt

Mujinga Kambundji, Mark Streit und … Ramon Felix? Diese drei Ausnahmetalente haben alle etwas gemeinsam. Ja, sie sind Berner – aber das Trio verbindet vor allem eines: Sie haben an Weltmeisterschaften Grosses geleistet. Eine Geschichte über einen Berner Roundnetspieler, der an die Weltspitze gelangte und eine Sportart mit Olympiapotenzial.

Autor: Gabriel Jordi
Titelbild: Das Ziel stets im Fokus. Ramon Felix in voller Aktion bei seiner Leidenschaft.
Bild: @Yellowballcult

Ende August letzten Jahres, abseits grosser medialer Aufmerksamkeit, durfte Ramon Felix einen der schönsten Momente seines Lebens geniessen. In der englischen Kleinstadt Guildford gewann er zusammen mit seiner Teampartnerin Laura Kunzelmann im Finale gegen die USA Gold.

In ein paar Sekunden die Früchte jahrelanger Arbeit ernten. Glücksgefühle, an die man sich ein ganzes Leben erinnert. Für die meisten wäre dieser Moment sicherlich der emotionale Höhepunkt eines solchen Erfolges – nicht so für Ramon. Für ihn kam der bereits im Halbfinale. «Wenn ich mich zurückerinnere, hatte ich Tränen in den Augen» sagt er mit einem strahlenden Gesicht. Er sei eigentlich gar kein «so emotionaler Mensch.» Aber nach dem Sieg im vorletzten Spiel sei sehr viel Druck und eine Last von den Schultern gefallen. Das Duo Felix/Kunzelmann konnte bereits an der Weltmeisterschaft 2022 eine Silbermedaille feiern und ging dementsprechend als Mitfavorit ins Turnier. «Wir konnten unsere damalige Leistung bestätigen und hatten somit wieder eine Medaille auf sicher. Das war das klare Ziel.»

Manifestieren wirkt

Das Thema Druck beschäftigte Ramon, der in der Region St. Gallen aufgewachsen ist, sich aber mittlerweile seit mehreren Jahren Berner nennt, bereits im Vorfeld des Turniers über eine längere Zeit. «Ich habe mir viel davon selbst gemacht.» Das ging so weit, dass die Belastung sich physisch bemerkbar machte. «Ich hatte das sonst noch nie erlebt. Wenn ich an die Weltmeisterschaft dachte, hatte ich plötzlich Herzrasen.»

Das übergeordnete Ziel sei es gewesen, die Silbermedaille zu bestätigen. «Insgeheim hofften wir aber schon, das Turnier zu gewinnen.» Das sei für den 28-jährigen schon sehr früh klar gewesen. Mit diesem Bewusstsein konnte er sich entsprechend mental vorbereiten. Als Lösung hat Ramon das Visualisieren des Erfolges für sich entdeckt. «Ich habe mir wirklich Monate im Voraus vorgestellt, wie es dann sein wird, wenn wir dort im Final spielen und auch gewinnen.»

Die Technik erwies sich als Volltreffer. «Sobald ich am Turnier war, am Spielen, war es gar kein Problem mehr. Weder mental noch körperlich. Es sind wirklich die Tage oder eben bei grösseren Turnieren vielleicht sogar Wochen oder Monate davor, an denen es mich mental belastet. Aber am Tag X gar nicht mehr.»

Hobby, oder doch schon mehr?

Ein Roundnet Turnier dauert typischerweise einen ganzen Tag. Wie ein solcher Tag aussieht, in den Worten derer, die die Leidenschaft Roundnet leben.
Video: Gabriel Jordi

Per Zufall zum Weltmeister

2018, Jahre vor dem 31. August 2024, der Tag, an dem Ramon Felix zum Weltmeister gekürt wurde, kam er – eher per Zufall – das erste Mal in Berührung mit Roundnet. Der heutige Lehrer befand sich damals noch im Studium für Sport und Psychologie. Ein Mitstudent, der Ultimate Frisbee spielte, brachte das Spiel eines Tages durch internationale Kontakte in den USA in die Schweiz. So kam es, dass die Studentenfreunde im Marzili die ersten Schritte rund ums Netz wagten. «Wir haben dann immer wieder gespielt und so entstand die Leidenschaft» erinnert sich Ramon. 

Irgendwann reichte für den heutigen Weltmeister, der sich selbst als «kompetitiven Menschen» bezeichnet, nur Spiel und Spass aber nicht mehr. Es brauchte Wettkampf. In der Schweiz gab es jedoch damals noch keine Turniere. So machte sich die Freundesgruppe, die am Ufer der Aare immer besser wurde, auf nach Deutschland, um in Köln an ihrem ersten Turnier teilzunehmen. Prompt folgte Ernüchterung. «Wir haben voll auf die Fresse bekommen» erzählt er lachend.

Doch das brachte den damals 22-jährigen nicht vom Weg ab. Durch viel Engagement und Disziplin wurde er immer besser. «Zu den Spitzenzeiten stand ich drei- bis viermal pro Woche auf dem Platz. Ich habe jeweils zwei Stunden gespielt. Zusätzlich machte ich Kraftübungen. Für die Schultern und die Beine. Das vielleicht noch einmal zweimal pro Woche. Das war eine echte Investition» 

Diese Investition zahlte sich aus. «Am Anfang hatte ich Angst. Angst davor, dass plötzlich ein Team in der Schweiz auftauchen würde, das viel besser ist als unseres. Nach ein paar Jahren bemerkte ich dann, dass der Vorsprung mittlerweile ziemlich gross und nur noch schwer wettzumachen ist.» Sieben Jahre später und mit zahlreichen Medaillen in der Tasche hat Ramon Felix seinen Höhepunkt erreicht. Er ist Weltmeister. 

Das Strahlen eines Siegers. Ende August 2024 wird für Ramon Felix ein Traum wahr. Bilder: @Yellowballcult

Das Duo Kunzelmann / Felix wird von den Fans bei der Siegerehrung gefeiert.

Roundnet fordert viel Beweglichkeit und Akrobatik.

Die Reaktionen der mitgereisten Fans und anderer Spieler, als der Sieg Realität wurde.

Nicht Michael Jordan, aber Ramon Felix

Nicht wenige Stimmen im Basketball behaupten, Michael Jordan habe den perfekten Zeitpunkt zum Rücktritt verpasst. Ein Fehler, den Ramon nicht begeht. Er reduziert dann, wann es am besten ist. «Ich hatte schon vor der Weltmeisterschaft 2024 für mich entschieden, dass ich nach dem Turnier kürzertreten werde.»

Der Fokus gilt ab nun wieder mehr dem Spass als dem Wettkampf. «Die letzten drei Jahre waren sehr intensiv. Wir sind auf viele Turniere gegangen.» Ramon erinnert sich an seine «schlimmste» Erfahrung. Ein Turnier in Wien. «Am Freitag mit dem Nachtzug nach Wien. Samstag durch den Tag spielen und am Abend nach dem Turnier wieder im Nachtzug zurück nach Bern.» 

Ein enormer Aufwand für eine Sportart, die man nicht professionell spielen kann und grösstenteils selbstfinanziert wird. Trotz allem, der Lehrer, der in Bern und Thun Berufsmaturitätsklassen unterrichtet, bereut nichts. «Seit ich arbeite, brauche ich das Wochenende mehr für mich. Um mich zu erholen. Während des Studiums ging es noch besser. Ich durfte lange auf sehr hohem Niveau spielen. Ich würde es auch jedes Mal wieder so machen. Aber mittlerweile bin ich gesättigt.»

Ramons Fokus wird sich in Zukunft auf die Weiterentwicklung der Sportart und des Roundnetklubs Bern fokussieren. Der Traum? Roundnet eines Tages an den Olympischen Spielen zu sehen.

Audio: Gabriel Jordi

Hast du schon mal Roundnet gespielt?