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Die Krux, wenn KI das Buchcover entwirft

Die Künstliche Intelligenz dringt inzwischen auch in die Welt der Bilder- und Kinderbücher vor. Was bedeutet dies für klassische Illustratoren? Und wie kommt diese Lektüre bei Lernenden an?

Im August letzten Jahres sorgte ein Vorfall für Empörung in der Buchwelt: Der renommierte Oetinger Verlag, bekannt für Bestsellerautorinnen wie Cornelia Funke und Suzanne Collins, veröffentlichte ein Buch, dessen Cover mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) gestaltet wurde. Besonders unverständlich war dies für viele, weil der Verlag selbst mit zahlreichen Illustratorinnen und Illustratoren zusammenarbeitet.

Was bei klassischen Verlagen noch für Aufruhr sorgt, ist in der Welt des Selbstverlags längst weit verbreitet. Dort werden mittlerweile ganze Bilderbücher mithilfe von Künstlicher Intelligenz illustriert. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: KI ist schnell, KI ist günstig und – vor allem – KI ist noch nicht reguliert. Alles, was es dafür braucht, ist das Wissen, mit diesem Werkzeug umzugehen.

  • «Weil du ein besonderes Mädchen bist» klettert auf Bestsellerlisten und ist zu 80 Prozent mithilfe von KI erstellt worden. Quelle: kba

KI kann noch nichts Eigenes erschaffen, weshalb die resultierenden Werke oft in Stereotypen verfallen, allgemeingültige Geschichten erzählen und nur auf den ersten Blick ansprechend wirken. So entstehen Bücher mit ähnlichen Covern und ähnlichen Titeln wie «Weil du ein besonderes Mädchen», «Weil du ein wundervoller Junge bist» oder «Auch starke Mädchen dürfen Fehler machen».

Im Selbstverlag veröffentlicht der Autor oder die Autorin sein Werk selbst, ohne die Beteiligung eines Verlags. Hierbei übernimmt er oder sie sämtliche Schritte und Kosten der Buchproduktion, einschliesslich des Schreibens, Bearbeitens, der Covergestaltung sowie des Vertriebs der Bücher. Amazon oder Books on Demand übernehmen den letzteren Schritt – wofür man einen eigenen Verlag gründen muss.

Anschliessend müssen nur das Manuskript und das Cover hochgeladen werden. Die Bücher können dann via Amazon verkauft werden. Der Vorteil? Die Gewinnmarge ist höher und alle Entscheidungen bleiben in der Hand des Autors oder der Autorin. So kann selbst darüber entschieden werden, wie das Cover aussehen muss, was normalerweise der Verlag bestimmt. Da man zudem die Kosten für die Illustration selbst tragen muss, ist es nicht verwunderlich, dass immer mehr Autoren ihre Cover der KI überlassen. Wenig Aufwand für viel Ertrag also.

Eine günstige Notlösung

Nebst denen, die ein einfaches Geschäft wittern, gibt es auch Autoren, die sich aktiv für KI-generierte Bilder entscheiden. Zum Beispiel Thomas Kern aus Leipzig. Er liess sein Buch «Der kleine Wind» auf diese Weise zeichnen, obwohl er ursprünglich eine Illustratorin beauftragt hatte. Bezahlt habe er für den Dienst 150 Euro, das entspricht ungefähr 140 Franken.

Thomas Kern lebt und schreibt in Leipzig. Sein Erstlingsroman «Der kleine Wind» erschien im Selbstverlag. Bild: Thomas Kern

Ein Beitrag von Kathrin Brunner Artho

Menschliche Arbeit ist teuer

Um ein Buch wie «Weil du ein besonderes Mädchen bist» von Hand zu illustrieren, würde es Monate dauern und Tausende von Franken kosten. Dies bestätigt Andreas Kiener. Der Illustrator und Comiczeichner aus Luzern mustert das KI-Buch mit belustigtem Interesse. Dass ihn KI eines Tages mal ersetzen könnte, schliesst er nicht aus. Er selbst habe auch schon KI verwendet. «Es ist einfach ein praktisches Tool. Mich erstaunt viel mehr, dass es nicht öfter verwendet wird.» KI ermöglicht kostengünstige Erstellung von Symbolbildern und Werbeplakaten, bei denen der Inhalt im Vordergrund steht, ähnlich wie bei Stock-Fotografien.

In diesem Bereich könnten Jobs wegbrechen, sagt Illustratorin Andrea Peter aus Bern. Sie selbst aber fürchtet nicht um ihre Arbeit. Da seien KI-erzeugte Bilderbücher nicht zufriedenstellend genug. Das Menschengemachte steche immer durch. Es sollte laut Peter einfach eine Regulierung geben, eine klare Definition, falls Inhalte mit KI erstellt werden: «Wenn ich ein Bilderbuch illustriere, dann muss ich ja auch meinen Namen aufs Cover setzen.» Warum sollte dies KI nicht auch müssen?

Transparenz ist gefordert

Während Amazon seit Kurzem eine freiwillige Kennzeichnung «KI-unterstützt» anbietet, fehlen entsprechende Hinweise etwa beim Schweizer Buchhändler Orell Füssli, wo die Bücher auch angeboten werden. Mediensprecher Alfredo Schilirò erklärt: «Da wir keinen Einfluss auf die Erstellung oder Bearbeitung von Büchern und deren Inhalten haben, können wir als Buchhändler nicht überprüfen, ob ein Text mithilfe von Künstlicher Intelligenz erstellt wurde» und eine Kennzeichnungspflicht für KI-generierte Inhalte gebe es nicht.

Schön und gut, aber ist das problematisch? Nein, ist es nicht. Die Krux an der Sache bringt jedoch Herwig Bitsche, Verleger des NordSüd Verlags, auf den Punkt: «Die Kunden sollten beim Kauf eines Buches wissen, ob sie KI oder die Arbeit von Menschen unterstützen.» Damit ein Buch in ihrem Programm erscheint, müsse es mehrere inhaltliche und visuelle Qualitätsprüfungen bestehen. Laut Bitsche erzeugt KI Bilderbücher, die zwar auf den ersten Blick ansprechend wirken, jedoch letztlich nur oberflächliche, gefällige Inhalte reproduzieren. Und das auf Kosten vieler Urheber.

Die Kunden sollten beim Kauf eines Buches wissen, ob sie KI oder die Arbeit von Menschen unterstützen.

Herwig Bitsche, Verlger NordSüd Verlag

Was der Pisionary Verlag, der das mit KI-gestaltete Buch herausbrachte, in einer Mail bestätigt. «Die traurige Wahrheit ist, dass KI-Bilder den Kunden scheinbar besser gefallen!», so der Verlag.

Doch wie kommen KI-gestaltete Bücher bei Kindern wirklich an? Das zeigen zwei Besuche in Primarschulen. In einer 2. Klasse in Bellach im Kanton Solothurn wurden unterschiedliche Bilderbücher, darunter auch das Buch von Thomas Kern und jenes aus dem Pisionary Verlag, aufgelegt. Und siehe da, die KI-illustrierten Bücher waren im Nu weg. Die Kinder sprangen tatsächlich auf die KI-Bilder an. So auch in einer 2. Klasse in Dagmersellen im Kanton Luzern. Gelesen hat allerdings keines der Kinder die Geschichten und so schnell die Bücher auch in die Hand genommen wurden, so schnell wurden sie wieder beiseitegelegt. Die Texte der KI-generierten Bilderbücher sind nicht der Zielgruppe angepasst. Die Sätze sind zu lang, die Schrift ist zu klein und die Bilder zu generisch. Trotz Einsatz von neuer Technik gilt nach wie vor: Ein ansprechendes Cover macht noch kein gutes Buch.

Würdest du ein Bilderbuch kaufen, dass von der KI erstellt wurde?