Kultur / Gesellschaft

Gemeinsam einsam: Expats in Basel

Laut swissinfo sind rund acht Prozent der Bevölkerung in Basel Expats. Viele von ihnen haben Schwierigkeiten, sich mit Schweizer:innen anzufreunden. In Expatvereinen gelingt Eliza Nagy* und Sara Miller* der Kontakt zu anderen Expats – und zu Schweizer:innen.

Autorin: Oriana Wunderle
Titelbild: Jedes Jahr zieht die Pharmabranche Expats nach Basel, diese bleiben oft unter sich; Bildquelle: Oriana Wunderle

«Wenn man in Amerika in eine neue Nachbarschaft zieht, wird man sofort auf einen Kaffee eingeladen.» Diese Offenheit und Spontanität fehlt Sara Miller* in der Schweiz. Vor 23 Jahren kam sie wegen einer Stelle bei Syngenta nach Basel. Freundschaften in der Schweiz zu schliessen, fiel ihr anfangs schwer. «Man geht hier nicht einfach bei jemandem vorbei, sondern muss dafür extra etwas abmachen.» 

Auch Eliza Nagy*, die vor fünf Jahren von Ungarn nach Basel kam, hat Mühe Anschluss zu finden. «Die Nachbarn sagen hier hallo, aber weiter geht das Gespräch nicht.» Schweizer Freund:innen habe sie bis heute keine.

Kritikpunkte an der Schweiz

Die Pharmabranche zieht jedes Jahr Menschen aus aller Welt nach Basel. Doch der berufliche Einstieg fällt oft leichter als der soziale. Laut SRF fühlt sich fast jeder vierte Expat in der Schweiz nicht willkommen. Kritikpunkte der Expats an den Schweizer:innen sind vor allem die Sprache, der schwierige Zugang zu bestehenden Freundeskreisen sowie die wenig spontane Art der Schweizer:innen.

Kalt, unfreundlich, distanziert – die Schweiz im Netz

Diese Erfahrungen sind keine Einzelfälle. In verschiedenen Online-Foren geniesst die Schweiz deshalb den Ruf: kalt, unfreundlich und verschlossen. Auf Plattformen wie Reddit und Tik Tok tauschen Expats ihre Erfahrungen aus. Userin Atena aus Dubai sagt beispielsweise auf Tik Tok: «Ich vermisse es, Freunde zu haben.»

@atenafars

Is anyone else struggling with this lol? I find swiss people extremely friendly however theyre a bit hard fo make friends with 🥹🥲 if you live in geneva, lets be friends xx #switzerland🇨🇭 #swisstiktoker #suisseromande #genevatiktok #geneve #geneva #suisse #friendship #newfriends #fypシ #fypシ゚viral

♬ original sound – ATENA

Basel auf Platz 47 im Bereich «Freunde finden»

Laut einer Umfrage des Münchner Beratungsunternehmen Internation belegt Basel den 34. Platz unter den beliebtesten Städten weltweit. In einem Punkt schneidet Basel jedoch sehr schlecht ab. Im Bereich «Freunde finden» belegt die Rheinstadt lediglich Platz 47 von 53. Jährlich nehmen rund 12’000 Expats aus 53 Ländern an der Befragung des «Expat Insider» teil.

Die unbeliebtesten Städte im Bereich «Freunde finden»:
RangStadt
44Düsseldorf
45Stockholm
46Basel
47Frankfurt
48München
49Köln
50Oslo
52Zürich
52Hamburg
53Vancouver

Quelle: Expat City Ranking 2024

Ganz anders sieht das Vroni Jehle. Als sie in die Schweiz kam, hatte sie einige Kulturschocks. Supermärkte, die mehrstöckig sind und Menschen, die beim Fussgängerstreifen geduldig warten, waren ihr neu. Die Schweizer Freundlichkeit und Offenheit seien ihr aber positiv aufgefallen.

«Ich habe die Gebrauchsanleitung für die Schweiz gelesen»: Porträt von Vroni Jehle

Ursprünglich kommt Vroni Jehle aus Oberbayern. Für ihre Arbeit bei der Roche zog es sie vor zwölf Jahren nach Basel. Im Interview erklärt sie, warum Basel zu ihrer Wahlheimat wurde und weshalb sie eine 100 Franken Busse für eine Zigarette am Boden völlig in Ordnung findet.

Vroni Jehle machte Basel vor zwölf Jahren zu ihrer Wahlheimat.
Bildquelle: Oriana Wunderle

Vroni Jehle kam vor zwölf Jahren in die Schweiz und machte Basel zu ihrer Wahlheimat.

Bild: Oriana Wunderle

«Ich habe mich in die Stadt verliebt»

Die Offenheit der Menschen in Basel und das Gefühl, sich selbst sein zu können, überzeugten Vroni. «Basel hat sich für mich so angefühlt, als ob ich hier eine Zeit bleiben müsste.» Dieses Gefühl hatte Vroni bereits nach den ersten vier Monaten. Zwölf Jahre später ist sie geblieben. 

Als sie von der Roche die Möglichkeit bekam, in der Schweiz zu arbeiten, ist sie sprachlich erst einmal ins kalte Wasser gestürzt. Die Sprachbarriere zwischen Deutschland und der Schweiz ist laut Vroni nämlich nicht zu unterschätzen. «Ich habe zwei Wochen gar nichts verstanden», berichtet sie. 

«Ich hatte Angst eine Grenze zu überschreiten»

Von anderen Expats und Bekannten hörte sie, dass es schwierig sei, mit anderen Schweizer:innen in Kontakt zu kommen. Um sich optimal darauf vorzubereiten, tat sie das, was jede:r Schweizer:in tun würde: «Ich habe die Gebrauchsanleitung gelesen.» Das Buch «Gebrauchsanleitung für die Schweiz» liess kein Klischee aus. Zum Abendessen werde man nur in seltenen Fällen eingeladen, stand darin. Bei ihrem ersten Kennenlernen mit Schweizer:innen kam es jedoch anders: «Ich wurde direkt zum Abendessen eingeladen.» Die anfänglichen Bedenken, damit eine Grenze zu überschreiten, habe sie über Bord geworfen und sei hingegangen. 

Um sich in der Stadt wirklich einzuleben, war es für Vroni wichtig, die lokalen Geschäfte zu nutzen und an lokalen Anlässen wie der Fasnacht teilzunehmen. 

Im internationalen Umfeld der Roche, in dem Vroni arbeitet, komme man aber auch mit Englisch problemlos durch. «An Anlässen der Roche trifft man auch oft auf andere Expats», so bleiben die Leute häufig unter sich. Vronis Tipp um auch mit Schweizer:innen in Kontakt zu kommen: Auf jeden Fall Deutsch lernen. 

Schweizer Korrektheit als Stärke

Die schweizerische Korrektheit wird von vielen Expats verspottet – Vroni hingegen schätzt sie. 100 Franken Busse, wenn man eine Zigarette auf den Boden wirft – für Vroni völlig richtig. «Man verseucht schliesslich das Grundwasser damit.» In der Schweiz gebe es auch weniger Littering, man achte auf die Umwelt.

Im Alltag habe ihr ihre Herkunft aus Bayern geholfen. «Wenn ich gefragt worden bin, woher ich komme, habe ich gesagt aus Bayern und nicht aus Deutschland.» Das habe für Vroni viele Türen geöffnet. Wenn sie jetzt wieder zurück nach Bayern gehe und statt: «Ich kriege ein Bier» höflich sagt: «Könnte ich bitte ein Bier haben», werde sie schief angeschaut. 

Sie schätzt das höfliche Miteinander, dass man seinen Müllsack vor 19 Uhr nicht hinausstellen darf, findet sie zwar spiessig, trotzdem ist sie der Meinung: «Regeln helfen dem Miteinander. Ich habe das Gefühl, dass es den Leuten hier gut geht.»

Die beliebtesten Städte im Bereich “Freunde finden”

Während die Schweiz im Bereich «Freunde finden» eher schlecht abschnitt, ringen vor allem die spanischen Städte um die oberen Plätze. Unangefochten auf Platz 1 liegt Málaga, dicht gefolgt von Mexiko City. Mit Platz 9 und Platz 3 schaffen es auch Madrid und Nairobi in die Top 10. 

Die beliebtesten Städte im Bereich «Freunde finden»:
RangStadt
1Málaga
2Mexico City
3Nairobi
4Panama City
5Alicante
6Ras Al Khaimah
7Bangkok
8Valencia
9Madrid
10Muscat

Quelle: Expat City Ranking 2024


Neustart leicht gemacht: Expats in Madrid und Nairobi

Nicht nur Expats, sondern auch ihre Partner:innen zieht es ins Ausland. Angela Brunner und Ralph Kirchhofer sind ihren Partner:innen ins Ausland gefolgt und dort eigene Wege gegangen. Im Gespräch erzählen Ralph und Angela, wo sie Menschen kennengelernt haben und warum sie das Ergebnis des Expat Insider Rankings nicht überrascht.

Angela Brunner

Bild: Oriana Wundere

Angela Brunner lebte viereinhalb Jahre in Nairobi. Die ausgebildete Pflegefachfrau engagierte sich vor Ort in einem Hilfsprojekt und arbeitete eng mit lokalen Fachkräften zusammen. 

Ralph Kirchhofer

Bild: Ralph Kirchhofer

Wegen der Arbeit seiner Frau zog Ralph für drei Jahre nach Madrid. Dank seiner Auslandserfahrung in Argentinien sprach er bereits Spanisch und lebte sich schnell ein.

Inseln der Begegnungen: Expat Communities in Basel

Centrpoint hat mittlerweile über 600 Mitglieder
Bild: Armin Roth

Wenn der Start in einem neuen Land schwerfällt, ist der Austausch mit Gleichgesinnten umso wichtiger. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurden die ersten Expatvereine in Basel gegründet. Heute gibt es in der Stadt unzählige internationale Communities und ein breites Angebot an Treffpunkten für Menschen aus aller Welt. Seit 1996 bietet Centrepoint für Expats einen Ort des Austauschs. Was damals mit 30 Mitgliedern und dem Ziel einen Ort für englischsprachige Personen zu schaffen begann, ist heute zu einer Community mit über 600 Mitgliedern herangewachsen. Hier wird ermöglicht, was Expats in der Schweiz oft schwerfällt: Freunde zu finden.

  • Hinter den Mauern des historischen Lohnhofs verbirgt sich eine kleine Parallelwelt.

Seit März 2024 ist der gebürtige Niederländer Jan-Willem van Wijck im Amt des Präsidenten von Centrepoint. Von Malkursen über Stadtführungen und Sprachkursen ist hier alles möglich. Bei dem «Coffee morning», der jeden Freitag stattfindet, wird geplaudert und kommende Aktivitäten werden geplant. 

Genauso bunt wie das Programm sind auch die Teilnehmer:innen. «Wir sind eine freundliche, lebendige und internationale Community», so Jan-Willem. Das Motto lautet: Von «Member» für «Member», denn alle bei Centrepoint engagieren sich freiwillig.

Basler:innen im Expatverein

«Erst bei Centrepoint habe ich überhaupt mit Schweizer:innen gesprochen», berichtet Eliza*. Denn bei Centrepoint engagieren sich auch viele Basler:innen. Eine davon ist Sandra. Nach der Pension war sie auf der Suche nach einer neuen Herausforderung und ist auf Centrepoint gestossen. «Unterschiedliche Menschen und Kulturen haben mich schon immer fasziniert», sagt Sandra. 

Durch den Austausch mit Einheimischen gehen Aktivitäten wie «Kaffee auf Deutsch» über das reine Erlernen der Sprache hinaus. «Letzte Woche hat eine Frau angefangen, während des Sprachkurses das Schweizer Politiksystem zu erklären», so Jan-Willem. Solche Gespräche helfen nicht nur beim Spracherwerb, sondern auch beim Verstehen der Kultur. 

Sprache als Schlüssel zur Integration

Ein zentrales Problem für viele Expats: fehlende Deutschkenntnisse. Eliza* berichtet, sie habe wegen ihrer mangelnden Deutschkenntnisse immer noch Mühe, mit den Schweizer:innen in Kontakt zu kommen. In Schweden, wo sie zuvor gelebt hatte, sei ihr der Kontakt leichter gefallen – weil sie die Sprache beherrschte.

So ging es auch Angelo Barboni, als er vor zwei Jahren von Italien in die Schweiz kam. Weil er kein Deutsch spricht, hat er manchmal das Gefühl, etwas zu verpassen. 

Jan-Willem bestätigt, die Sprache sei entscheidend. Er habe bereits Deutsch gesprochen, bevor er in die Schweiz gekommen sei. «Das hat mir vieles leichter gemacht.»

Schweizer Freunde fürs Leben?

 «Viele Leute haben bereits ihren Freundeskreis seit Jahren, es ist schwierig, dort hineinzukommen», sagt Angelo. Bei der Arbeit gehe das Gespräch oft nicht über die Arbeit hinaus. «Sobald ich persönlichere Dinge erzählt habe, bin ich schief angeschaut worden», so Angelo. Als er dann aber an seinem Arbeitsplatz mit seinen Kolleg:innen in Kontakt gekommen ist, haben sich daraus tiefe Freundschaften entwickelt.

Integration braucht Zeit

Auch wenn die Integration in der Schweiz vielen Expats schwerfällt, finden viele mit der Zeit Anschluss. Um an ihrem neuen Wohnort anzukommen, habe Sara* viel investiert. «Ich habe Deutsch gelernt, das war hart.» Zudem habe sie verschiedene Hobbys ausprobiert und sich Vereinen angeschlossen. Der Aufwand hat sich ausgezahlt: «Es haben sich jahrelange Freundschaften gebildet.»

*Name geändert

Hast du Schwierigkeiten in der Schweiz Freunde zu finden?